Nachts um halb zwei soll ich von Achim, Harald und Manfred in Lauterbourg abgeholt werden. Kurz gepennt und dann klingelt das Telefon - die Herrschaften sind im Anmarsch. Mein Moped steht schon auf dem Anhänger, im Bus gibts außer den beiden Vordersitzen noch zwei Sitzreihen, auf denen man sich ablegen kann. Gottseidank sind wir alle vier in der Lage das 14 Meter lange Fuhrwerk zu fahren - da kann man sich abwechseln und zwischendurch ein bisschen Schlaf nachholen.
Ankunft in Prades bei Perpignan irgendwann nachmittags, Stadtbummel, Abendessen und früh ins Bett.
Aufstehen morgens um fünf! Ätz! Kalt, aber wenigstens ordentliches Wetter. Insch Allah. Um 10 Uhr gehts Schiff, um acht sollen wir einchecken im Barcelona-Hafen. Also ab auf die Autobahn. Und
dort gehts los - es pisst aus allen Löchern. Bis wir aus einer ewig langen Baustelle raus sind und auf dem Standstreifen im stockdunklen die Regenklamotten überziehen können, ist eigentlich schon
alles zu spät. Im Barce-Hafen angekommen gibts kein Café, dafür aber ein Dach unter dem die anderen Marokkofahrer aufs Schiff warten. Hammelfest ist dort in der nächsten Woche - ein Feiertag, den
der Marokkaner als solcher im Schoße seiner Familie zu feiern pflegt. Und wenn er in Frankreich, Italien oder Finnland (!) arbeitet, fährt er zu diesem Behufe mit dem Schiff nach Hause. Soll
heißen, dass der Kahn ziemlich voll ist.
Irgendwann gehts dann mit Verspätung los und wir dürfen in unsere komfortable 4-Bett-Außenkabine - bepackt mit unserer gesamten klatschnassen Bagage. Klasse Aussicht: Direkt vor unserem
Kabinenfenster ist ein riesiges orangenes Rettungsboot stationiert, wahrscheinlich extra für uns, nur rausgucken kann man nicht. Nachdem unser Gepäck in der Kabine ist, passen locker noch zwei
Leute rein, die beiden anderen müssen jeweils draußen warten.
Ein langweiliger Schiffstag, teures Restaurant, Nachtruhe im Kabinchen - und dann schnarchen die Kerle allesamt - außer mir natürlich.
Die Einreisedokumente für die Personen haben wir gestern schon bei der Einwanderungsbehörde hier an Bord erledigt. Der Wetterbericht sagt Regen in Marokko voraus, die Schiffsdurchsage teilt auf
englisch, französisch und italienisch (Araber sind ja höchstens 90 % der Passagiere, da kann man sich die Übersetzung sparen, wo kämen wir denn da hin?) mit, dass es eine kleine Verspätung geben
könne - so etwa 4 bis 5 Stunden. Insch Allah.
In der Straße von Gibraltar ist das Meer von der Atlantikdünung ein bisschen bewegt. Dann kommen wir an im nagelneuen Hafen Tanger Mediterranee. Auschecken dauert nur ein knappes Stündchen und
schon gehts los Richtung Rif-Gebirge. Es regnet dann doch nicht - aaaaber weil ja das Hammelfest kurz bevor steht, muss sich der marokkanische Haushalt mit ausreichend Hämmeln eindecken - einen
pro Familie.
Dazu bringen die Hammelzüchter die Tierlein mit jedem erdenkbaren Fahrzeug (von Mobylette bis LKW) in die Stadt, laden tausende davon mitten auf oder neben der Straße ab und treten in die
Verkaufsverhandlungen mit ihren Kunden ein. Das kann schon mal 5 Kilometer so gehen. Polizisten begleiten das mit Triilerpfeifen, Autos hupen, Scooter brettern mitten durch und hupen auch - wir
auch. Man zwängt sich durch, schubst Hämmel, Menschen und Polizisten sanft mit dem Vorderrad beiseite und irgendwann ist man durch. Bis zum nächsten Ort jedenfalls.
Abends kommen wir in Chefchauen an. Die blaue Stadt - super. Ein Hotel hat Achim schon im Reiseführer ausgesucht - Manfred findets mit dem Navi. Und schon stürzen wir uns ins blaue Gassengewirr.
Das ist echt sehenswert. Weil die ganze Stadt an einem Berghang liegt, sind das fast nur Treppen und Fußwege. Und alles schön blau angestrichen. Rechte Winkel sind nirgendwo zu entdecken.
Abends gibts die erste Tajine von ganz vielen ...
Nach unserem ersten afrikanischen Morgen freuen wir uns drauf, weiter Richtung Süden zu fahren, also uns dem Äquator etwas zu nähern, wo es, wie man weiß, warm ist.
Vorerst ist es aber nieselig, Hämmel werden immer noch verkauft, Straßen sind schlammig und irgendwann stehen wir eingekeilt zwischen Taxis, Pickups und Hämmeln in knöcheltiefem Schlamm in Kabul.
Jedenfalls siehts dort so aus, wie man sich Kabul im Winter vorstellt. Und Achim fehlt, mit ihren Riesenkoffern ist seine Supertenere nicht so geeignet fürs Durchzwängen. Nach einer Viertelstunde
kommt er ziemlich abgenervt an.
Richtung Taounate werden die Berge höher und trotz zunehmender Äquatornähe liegt Schnee an den Straßenrändern. Die anderen Jungs haben ja Heizgriffe, die Weicheier, nur mir wirds ein bisschen
frisch.
Wir umrunden Fez, gut dass der Hammelmarkt irgendwo anders abgehalten wird - wir sehen nur die Transporter. Wenn die marokkanische Familie ihren Hammel gekauft hat muss er nach Hause, man packt
die Ohren und zieht ihn von vorne, ein anderer hebt die Hinterbeine hoch und schiebt und ab gehts in die gute Stube oder auf den Balkon, gerne wird er auch im Kofferraum von PKWs
transportiert.
So langsam wird es dunkel, immer kälter und wir kommen nach Ifrane. Kaum zu glauben, hier siehts aus wie in Österreich, Giebelhäuser, saubere Straßen und kein einziger Hammel. Seltsam!
Ifrane ist ein Touristenort für wohlhabende Marokkaner aber nirgendwo ein Bier aufzutreiben.
Nach dem Frühstück im recht ordentlichen Hotel müssen wir ein wenig Eis von unseren Sitzbänken kratzen und schon gehts weiter ins Warme Richtung Azrou. Zuerst eine Weile durch Wälder mit
gigantischen Atlaszedern und, ähääm, reichlich Schnee. Irgendwo sind wir auf eine Abkürzung zur nächsten Route Nationale abgebogen, schön durch die Berge, bald ohne Asphalt, ohne menschliche
Siedlungen. Auf einer Lichtung im Wald stapfen eine Gruppe Affen durch den Schnee - wie zottelige Bären sehen sie aus, bei unserem Anblick gehen sie zwar zum Waldrand, hauen aber nicht ab.
Anschließend kommen wir auf eine schneebedeckte Hochebene - zig Kilometer gradeaus im Schnee und in der Ferne riesige schneebedeckte Gebirge. Vom Äquator weit und breit nix zu spüren.
Unsere Route führt über Midelt, Errachidia, Erfoud, Richtung Rissani. Und dann kommt es Schlag auf Schlag, kaum herunter von der Hochebene erreichen wir eine Steppenlandschaft und sehen auch
wieder Städte und Dörfer. Die Hämmel haben sie heute früh alle gekillt, sie hängen jetzt kopfüber an den Häusern und werden ausgeblutet, abgezogen und zerteilt.
Das heute der Haupttag vom Hammelfest ist merkt man deutlich - die Straßen sind fast leer, alle Läden und Restaurants geschlossen. In einer Tankstelle können wir zwei Laibe Brot und ein paar
Büchsen Thunfisch auftreiben - sooo schlecht schmeckt das auch nicht.
Und schon kurz drauf sehen wir die ersten Dattelpalmen. Dann eine ganze Oase - deutlich wärmer wirds auch.
In Rissani tanken wir nochmal, weils in Merzouga keine Tanke geben soll (gibts aber doch). Manfred hat im Reiseführer schon ein Hotel gefunden, aber irgendwie habe ich das nicht richtig gerafft
und fahre durch nach Merzouga direkt am Erg Chebbi bei den riesigen Sanddünen. Echt Sahara - stimmt halt doch, das mit dem Äquator. Das war jetzt aber leider ein Stückchen zu weit, zum Hotel
Yasmina müssen wir wieder ein ganzes Stück zurück und dann 14 km Piste. Nach 430 km heute machts das nun auch nicht mehr. Wunderbarerweise wird es schnell dunkel, da kann man die Beleuchtung vom
Hotel kilometerweit sehen. Die Piste ist Schotter mit ein bisschen Wellblech und ab und zu ein wenig Sand. Das heißt, wenn man schnell genug fährt rattert es nicht besonders und die Sandpassagen
kommen einem sehr kurz vor, aber es ist halt dunkel und man sieht nicht viel. Irgendeiner von uns hat gleich im ersten Sandloch sein riesengroßes Motorrad abgelegt.
Das Hotel ist ein echter Hammer - von außen eine Kasbah, braun, fensterlos mit ein paar Türmen und wenn man die sandige Auffahrt durchs Tor geschafft hat steht man in einer anderen Welt.
(www.hotelyasminamerzouga.com) Pool, Blumen, schöne Zimmer, gutes Restaurant mit sehr ordentlicher Tajine, Terrasse direkt an den Dünen, aber null Alkohol. Gottseidank habe ich ein Fläschlein
Elsässer Mirabelle dabei, den man am Abend aus medizinischen Gründen einnehmen kann.
Das ist mal ein Morgen - Vogelgezwitscher, Geplätscher aus dem Pool, tolles Maroc-Frühstück mit Oliven, Vache-qui-rit-Käse ... Manfred war ganz früh schon in den Dünen zum Fotografieren.
Und nun kann er es kaum erwarten, sich mit seiner Tenere in den Sandkasten zu begeben. Tja, der ist eben unser Jüngster mit seinen 46 Jährchen. Wir anderen älteren Herrschaften lassen es ruhiger
angehen - zuerst einmal erzählt uns der Hotelchef, wie man den Einstieg zur Umrundung des Erg Chebbi am einfachsten findet. Zum Tor raus immer grade aus bis man ein Oued (Flussbett) ohne Wasser
sieht, dann durch und anschließend nach rechts - ganz einfach. Die Düne immer zur Rechten und den Rest sieht man dann schon. Achim findet einen Pool-Tag erholsamer und so machen wir uns zu dritt
auf den Weg. Ich weiß ja nicht genau, wie weit das da ist - also nehme ich eine Flasche Wasser extra mit und zwei Mandarinen von gestern Abend, man weiß ja nie. Gradeaus zum Oued usw... Nach ein
paar Minidünen und der sandigen Oueddurchfahrt wirds schön schottrig. Man fährt so mit 80 Sachen da lang und genießt die Landschaft. Zwischendurch machen wir ein Päuschen an einem der wenigen
Bäume unterwegs und schon kommen zwei Jungs aus einer Ansiedlung in der Nähe mit ihren Fahrrädern an, um uns ihre Fossilien zum Kauf anzubieten. Wir sind genervt, lehnen ab und fahren weiter.
Eigentlich blöd - für ein paar Cent hätten wir denen einen kleinen Verdienst verschafft, wir kurven ja auch in ihrem Stückchen Wüste rum und haben unseren Spaß. Beim nächsten Mal Jungs ...
Ein Stück weiter machen wir ein kleines Schaulaufen zum Fotografieren. Macht echt Spaß auf diesem Schotter rumzudüsen. Danach gehts in eine hügelige Landschaft. Das heißt, dass man auf der Piste
bleiben muss. Ein verfallenes Dorf wird durchquert und schon bald danach kommen wir an die Teerstraße von Merzouga nach Taouz. Rechts ab, durch zwei Dörfer, dann sind wir in Merzouga. Um 10 sind
wir abgefahren, jetzt ist es mal grade 12. Naja, trinken wir eben einen Kaffee und überlegen, was wir mit dem Rest des Tages anfangen. In einem kleinen Laden neben dem Cafe frage ich den Inhaber,
wieviele Mandarinen ich für ein 5-Dirhamstück bekomme. Ein Kilo! Für 50 umgerechnet Cent - OK gekauft.
Harald will heim ins Hotel, das sind nur noch ein paar Kilometer die Straße rauf. Manfred fährt mit mir nochmal hinter der Düne rum. Jetzt probiere ich mal aus, wie schnell das auf dem Schotter
rollt, aber bei 135 km/h breche ich den Versuch ab. Ältere Herren mit Brillen sollten nur so schnell fahren, dass sie vor dem nächsten Graben oder Sandloch noch irgendwie die Geschwindigkeit
runter kriegen. Außerdem hat sich einer von uns heute früh schon in den Dünen abgelegt, das gibt ja zu denken.
Nach den Dünen fahren Manfred und ich ziemlich weit voneinander aufs Hotel zu - er auf das richtige, ich auf das falsche. Komme ich eben 10 Minuten später an.
Die beiden anderen lümmeln schon an der Piscine rum, hat ja auch 27° hier auf der Terrasse. Das Piscine-Wasser hat auch locker 15°. Aber was tut man nicht alles, nur um jetzt und hier verkünden
zu können, dass wir im November in der Wüste schwimmen waren. Ansonsten ist es ein fauler Nachmittag - Urlaub eben.
Jetzt steht uns ein lockerer Tag bevor. Nur 200 km sind zu fahren nach Tinghir (oder Tinerhir) am Eingang der Todraschlucht. Allerdings gibts unterwegs wenig zu sehen - Steppe, Kamele, Esel und
ein bisschen mehr Verkehr als in den letzten Tagen - die Hämmel sind jetzt gegessen, die Leute arbeiten wieder und die Kinder werden in gelben Schulbussen aus dem letzten Dorf geholt und zur
Schule gefahren. In einem Dorf steht eine Menge Leute auf der Straße. Einer schreit die ganze Zeit Parolen und andere fuchteln mit Transparenten rum. Ich gehe in die Menge und frage, was da los
sei: Eine Wahlveranstaltung ist das. Politik! Manfred findet eine kleine Gasse, auf der man drum herum fahren kann. Bei einer Rast unterwegs lasse ich mir einen frischen Mandarinensaft pressen,
der Mandarinensaftpresser meiner Wahl begrüßt mich mit "Vouz êtes allemand - ahaaa Stuttgart einundzwanzig n'est-ce pas?". Kurz vor unserem Ziel brauche ich dringend Sprit aber die Tankstelle hat
nix. Weiter vorne ist schon wieder ein Volksauflauf, diesmal haben sie die Hautstraße mit Steinen blockiert und es sieht ein bisschen ernster aus. Die Marocs mit Autos fahren jedenfalls alle
zurück und fuchteln uns mit den Händen zu. Weil wir in der letzten Stadt schon eine Hundertschaft Militärpolizei gesehen habe, ziehen wir uns dezent zurück und fahren auf Umwegen in die
Stadt.
Gottseidank hat Achim schon ein Hotel im Reiseführer ausgesucht, da weiß man doch, wo man schlafen kann. Manfred findet es mit seinem Navi. Da ist nun eine riesige Mauer mit 3 verrammelten
Garagentoren und einem Blechtürchen. "Hotel Tombuctu" steht auf einem Schild, au Backe! Durch eine Art Tunnel gelangt man ins Innere und dort sieht es schon ganz ordentlich aus. "Belegt, leider"
sagt der Besitzer, ein Schweizer. Es sei denn, wir wollten auf dem Dach schlafen, kleine Zimmer, ein wenig staubig vielleicht. Das sehe ich mir mit Manfred an. In drei der vier Türme auf dem Dach
der Kasbah ist jeweils ein Zimmer und in einem ist das Bad. OK, eingecheckt, die Mopeds müssen in der Nachbarschaft in einem Hof abgestellt werden. Der Volksaufstand waren übrigens nicht die 99,5
Prozent der Marokkaner, die ihren König lieben und auch nicht die 0,5 % die ihn hassen (die sind wahrscheinlich im Knast), sondern das war ein Dorfstreit um ein Neubaugebiet.
Wir machen noch einen kurzen Ausflug in die Todraschlucht. Bis dort, wo alle Touris hin müssen. An diese ganz schmale Stelle, wo die Omnibusse halten, damit die Senioren in beigefarbener
Safarikleidiung Souvenirs kaufen können. Ist aber echt eine tolle Schlucht mit alten Kasbahs, Palmen, einem schönen Fluss und tollen Campingplätzen.
Welche Tajine (Huhn oder Lamm) wir an diesem Abend bekommen, habe ich vergessen, war aber OK. Neben uns sitzt eine holländische Familie mit indischer Mama und einem kleinen Jungen der dringend
auf Pannekoekjes besteht. Abends auf unserem Dach ist es fantastisch - Stadt, Palmen, Mond, Muezzin ... ein wenig Elsässer Obst aus medizinischen Gründen ...
Gleich nach dem Frühstück teilen wir dem Schweizer mit, dass wir eine weitere Nacht bleiben wollen. Das Angebot jetzt in richtige Zimmer ziehen zu können nehmen wir nicht an - ist schon ganz OK auf unserem Dach. Wenn man die Todraschlucht noch 100 Kilometer weiter fährt bis zu einem Dorf namen Ait Haddou Amer, kann man eine Piste durchs Gebirge nehmen, die weiter westlich in der Dadesschlucht rauskommt. Das haben wir vor. Nach der touristischen Engstelle in der Schlucht geht es stetig bergan und wird immer einsamer und auch wesentlich kälter. Bald liegt wieder Schnee an den Straßenrändern und wir sind von riesigen Bergen und tiefen Canons umgeben. An den paar Stellen, wo Landwirtschaft möglich ist, wuseln dick vermummte Leute auf den Feldern rum. Pflügen, hacken, ernten Rosenkohl (!).Die Straße fehlt jetzt öfter einmal, weil offenbar starke Regenfälle und Schneeschmelze ganze Abschnitte verschüttet haben. In Ait Haddou versucht uns die Dorfjugend mit viel Geschrei auf den richtigen Weg durchs (dreckige) Dorf zu lotsen. Danach gibts nur noch eine sehr schöne Piste. Ein Weilchen habe ich Spaß und denke, dass das hier Motorradfahren in der schönsten Art ist. Aaaaber dann kommt ein Stück nasser Lehm, Achim bleibt stehen und ich will vorbei um ihm zu helfen. Straßenreifen zugeklebt - meine umstürzende XT zieht mir das rechte Bein immer länger bis drinnen im Oberschenkel irgendwas abreisst. Jetzt sitze ich dumm im Schlamm rum und es tut weh. Aber ein echter Indianer .... außerdem müssen wir ja sowieso weiter fahren und die XT hat einen komfortablen E-Starter, wird schon gehen. Achim will umdrehen, Harald isses egal, Manfred will weiter fahren, ich eigentlich auch (aber nur aus Prinzip, eigentlich kann ich kaum stehen oder laufen). Also erkundet Manfred den weiteren Verlauf der Piste, kommt aber bald zurück - zu viel Schnee hinter der Passhöhe. Ich glaube ihm keinen Ton, aber er hat's fotografiert. Also zurück! Der Spaß beim Pistefahren ist nun bei manchen von uns etwas gedämpft. Weiter unten gibt's noch eine Pistenverbindung zur Dadesschlucht. Das wollen Manfred und Harald nun doch mal wissen. Ich fahre mit Achim zurück zu Hotel. Für 100 km braucht man in diesen Bergen ca. 3 Stunden, das reicht mir dann und Achim auch.Irgendwie schaffe ichs dann die Treppen rauf aufs Hoteldach und verarzte mich innen mit ein wenig Mirabelle und später von außen mit Haralds Franzbranntwein.Ein paar Stunden später kommen die beiden anderen von ihrer erfolgreichen Tour zurück. Einer von denen hat sein Moped in einem Flussbett abgelegt, womit wir jetzt also jeder mal dran waren.
Nach Frühstück und Mopeds beladen verabschieden wir uns vom Schweizer Hotelier und wollen mal die Dadesschlucht in Augenschein nehmen. Man kennt die Bilder der in den Berg gemauerten Serpentinen (Spitzzzkehren!) aus jedem Reiseführer. Wenn man von oben ein Bild machen will, muss man im ortsasässigen Café was bestellen, damit man zum Fotografieren auf die Terrasse darf. Ist aber OK, dass die ihre Superlage nutzen, bei uns muss man schließlich sogar fürs Parken zahlen. Also machen wir, was alle Touris machen: Kaffee trinken, fotografieren, pinkeln gehen, weiterfahren. Zurück zur N 10 Richtung Ouarzazate und dann auf eine kleine Straße in die Berge Richtung Demnate. 150 Kilometer Einsamkeit durchs Atlasgebirge so um die 2000 Meter hoch. Ich schätze mal, dass auf einem Viertel der Straße die Ashaltdecke fehlt - viele Bergrutsche sind erst kurz vorher beiseite geräumt worden. Die Dörfer sehen, abgesehen von den Satellitenschüsseln, aus wie vor 2000 Jahren. Menschen sieht man kaum. Einmal sehen wir in der Ferne vor uns auf der Straße einen winzigen Esel, zwei Typen sitzen drauf mit diesen typischen Wollmänteln mit spitzer Kapuze. Als sie unsere Motorräder hören, zieht der vordere sein Handy raus und filmt uns beim Vorbeifahren. Ist halt doch nicht mehr wie vor 2000 Jahren und sicher haben die beiden, im Gegensatz zu uns, gestern abend die Fernsehnachrichten gesehen und wissen über das Geschehen in der Welt besser Bescheid als (momentan) wir. Stundenlang fahren wir durch supergeile Landschaft. Leider ist die Straße auf den Schotterstrecken oft nass und wir sehen ziemlich dreckig aus. Gegen Abend kommen wir kurz vor Demnate an einer Kasbah vorbei, in der ein Hotel ist. Trotzdem wir es NICHT vorher im Reiseführer gefunden hatten, fragen wir mal nach. Superschöner Bau, klasse Zimmer, teuer. Allerdings sind die auf Gäste nicht gerade eingerichtet. Der Service bringts auf energische Anfrage mal eben zustande, Besteck und Tee zu bringen - die Tajine dauert ewig. Und was finden wir unter dem Gemüse - dort wo normalerweise das Huhn liegt oder die Lammkeule? Das Knie von einem dieser Hammelfesthämmel von vor einer Woche. OK, ein Brocken gelbes Wibbelfett liegt auch dabei. Und das bei deeem Preis. Dafür sind die Zimmer klasse und ein kleiner Mirabelle hilft uns später dabei, das Knie in uns zu neutralisieren.
Das Frühstück im Palast ist ganz in Ordnung. Die Mopeds werden wieder auf der Hoteltreppe hoch zur Straße bugsiert. Irgendein Angeber unter uns muss allerdings unbedingt mit der XT die Treppe rauffahren, womit ein Soft-Enduro-Fahrwerk heftig überfordert ist. Der Hotelbesitzer fährt in seinem neuen Landcruiser vor, der mit Wahlplakaten mit seinem Konterfei beklebt ist. Der Mann ist ein hohes Tier in Marokko (aber das mit dem Knie nehme ich ihm doch ein bisschen übel). Nach Marrakech sind es nur 100 km. Der Verkehr nimmt deutlich zu, den einsamen Süden haben wir endgültig hinter uns gelassen. Und schon wenig später stehen wir auf dem Jamaa al Fna, dem Platz der Geköpften, im dicksten Touristenrummel. Achim, Manfred und Harald sitzen im Café - irgendwo hier ist im April eine Bombe explodiert. Und ich trabe hinter einem zahnlosen Hotelschlepper her, der mich immer tiefer in die Souks von Hotel zu Hotel schleppt, die sind aber alle nur zu Fuß erreichbar. Weil ich aus Geiz Achim davon abgehalten habe, Suiten im Marrakech Sheraton (aus seinem Reiseführer) zu buchen, muss ich jetzt für ein Quartier sorgen. Endlich findet sich ein Riad, in dem wir die Motorräder mitbringen dürfen. Die Zimmer scheinen mir OK. Als wir die Mopeds ins Wohnzimmer bugsiert haben, stellt Achim fest, dass die Betten nicht frisch bezogen sind und dass es das dreckigste Hotel seines Lebens ist. Egal, wir ziehen uns um und gehen auf Tour in die Souks, zum Königspalast, zu den Schlangen- und Affenbändigern. Alles was Touris so machen müssen, nur mit diesen Pferdekutschen fahren wir nicht rum. Ein Bus voller Schwarzwälder Senioren aus dem Glottertal ist auch da. Gegen Abend beobachten wir vom Restaurantdach aus, wie die Marktstände und die mobilen Restaurants auf dem Platz aufgebaut werden. Alles wird auf Handwagen heran gekarrt und eine ganze Budenstadt entsteht innerhalb einer Stunde, inkl. voller Verkabelung und Beleuchtung. Noch ein Gang durch die Souks – hier ist es voll, wie auf dem Dürkheimer Wurstmarkt und Jugendliche fahren Moped- und Rollerrennen in den kaum einen Meter breiten Gassen. Es ist ein einziges Tohuwabohu. Einige Souvenirkäufe von Manfred und mir erfordern konzentrierte Verhandlungen mit geübten Verkäufern - bei ca. 50 % vom ersten Preis ist aber Schluss, da fangen sie dann an zu heulen und die nächsten 5 Dirham Nachlass (50 ct) kosten eine halbe Stunde Gezeter, da zählen die besseren Nerven und die Zeit (von letzterer hat der Araber oder Berber als solcher allemal mehr als jeder Europäer). Später gehen wir an den Buden auf dem Markt was essen. Anstrengend diese Großstadt - aber das muss sein. Diese Nacht schlafen wir lieber in unseren Schlafsäcken, denn Achim hat auch noch ein Schamhaar (!) in seinem Bett entdeckt. Hoffentlich wars eins von einer scharfen Haremsdame ...
Am Morgen müssen wir erst die Motorräder aus dem Hotel in die Gasse fummeln. Für Achims Supertenere muss der Nachbar gegenüber die Haustür öffnen, damit das Monstrum um die Ecke passt. Dann frühstücken wir im Café am Jamaa al Fna - die ganze Budenstadt ist wieder verschwunden und der Platz ist blitzesauber gefegt. Nach Essaouira am Atlantik sind es nur 180 km. Die rollern wir auf einer Arschbacke ab. Diesmal hat Achim das Hotel ausgesucht: Es heißt Hôtel Sofitel Thalassa Mogador und ist ein Palast (klar, dass sowas nicht ganz billig ist). Nach einem Kaffee auf einem Platz bei der Altstadt am Hafen ziehen wir im Hotel ein. Hausdiener, Riesenschwimmbad mit Möwen drin, kein einziges Schamhaar im Bett (aber ein fotografisch dokumentiertes Vogelschisserle), schöne Zimmer, sauberes Bad, heißes Wasser ... Als erstes relaxen wir mal in prallem Sonnenschein (dem letzten auf der ganzen Tour) am Pool. Dann ziehen Manfred und ich los, um die Gegend zu erkunden. Direkt vorm Hotel ein Riesenstrand. Da war grade Ebbe, später war er dann nicht mehr so riesig, sondern schmal. Ein Stück weiter, vor den Toren der Altstadt liegt der Fischereihafen, umgeben von Festungsmauern. Karthager, Römer, Spanier, Portugiesen, Franzosen haben hier ihre Spuren hinterlassen. Im Hafen selbst ein Gewimmel von Schiffen, Booten, Wracks, halbfertigen Neubauten. Wir fotografieren, was das Zeug hält. Wie das dort riecht, sieht man aber nicht auf den Fotos. Dann ein Gang durch die Souks - alles in allem gefällt mir das hier besser als Marrakech. Ist zwar auch voll touristisch, aber zu dieser Jahreszeit nicht überfüllt. Am Abend gehen wir in ein Restaurant mitten im Hafen. Ist aber enttäuschend - nix Besonderes.
Im Luxushotel gibt´s natürlich auch ein Luxusfrühstück. Dann werden die Mopeds gesattelt - wie weit wir heute Richtung Norden kommen, wissen wir noch nicht. Das Wetter sieht seeehr mäßig aus. Also regnen tuts nicht gerade, aber die Regenklamotten packen wir griffbereit ganz oben drauf. Die ersten 270 km fahren wir auf einer kleinen Küstenstraße bis El Jadida. Eeeeewig leere Strände und soviel Gischt, dass die Brille beschlägt und mein geknickter Lenker zusehends rostet. Da sollte man mal im Sommer Urlaub machen. Irgendwann fängts dann wirklich an so richtig zu schiffen. Ab auf die Autobahn, um Casablanca und Rabat herum. Diese Autoroute kostet Maut und ist supergepflegt, sogar mit Raststätte. Nach nochmal 230 km sind wir abends in Kenitra, einer wenig sehenswerten Industriestadt. Ein Hotel ist bald gefunden (OHNE Reiseführer), raus aus den nassen Klamotten. Der Ober empfiehlt uns eine Bar gegenüber, da gäbe es auch Bier - außerdem wimmelt es von jungen, gewerblichen Damen und ihren Kunden. Das Restaurant ist aber soweit OK. Von Urlaubsfeeling war an diesem Tag nicht viel zu spüren. Das muss man aus medizinischen Gründen mit ein paar destillierten Mirabellen bekämpfen.
Nach den gestrigen nassen 500 km stehen heut nur 200 km bis Chefchauen auf der Agenda. Erst langweilige Route nationale bis Ouazzane und dann auf netten Sträßchen ins Rifgebirge. Das Wetter ist wieder einigermaßen trocken, die Landschaft ist wieder grün und die Wüste gefühlte 1000 km weiter im Süden. In Chefchauen gehts wieder ins Hotel Panorama, wir machen einen Stadtbummel. Morgen ist der letzte Tag in Marokko und ich muss immer noch ein paar Souvenirs kaufen, also ab in die Verhandlungen mit dem Schmuckhändler. Irgendwie ist der Urlaub schon vorbei ...
Nur 150 gemütliche Kilometer sind angesagt. Durchs Rifgebirge auf kleinen Straßen nach Oued Laou an der Küste und dann auf der Nationalstraße am Meer entlang nach Tetouan. Mit der Straße durch die Berge ist nicht allzuviel los - auf den letzten Kilometern ist sie eigentlich nicht vorhanden. Sehr zur Freude mancher (nicht aller!) Endurofahrer unter uns, wird die Route Nationale am Meer gerade völlig neu gebaut. 40 km Baustelle, beste Schotterpiste. In Tetouan findet Achim einen Riesensupermarkt (sieht aus wie Metro) und endlich können wir einkaufen gehen wie dehääm. Wir wollen gleich Proviant fassen für die langweilige Schiffsfahrt, eine Weinabteilung gibt es auch. Wir haben noch haufenweise Zeit zu verbummeln, weil das Schiff erst am Abend ablegt. Also fahren wir an einen Badeort und machen ein Picknick auf einer Mauer der Strandpromenade. Das europäische Essen stopfen wir uns rein. Dann rollen wir satt zum Hafen. Erledigen die Formalitäten. Verteilen grüne und weiße Zettel an Zöllner, Bullen, Hafenangestellte und sonstige Hanseln - sie sind aber alle freundlich. Und dann sitzen wir da rum. Die beiden Franzosen aus Perpignan von der Fähre auf der Hinfahrt treffen auch ein. Sie sehen noch etwas angegriffen aus - eine Mordsparty mit Mädels haben die mehrere Tage gefeiert, wie man hört. Natürlich kommt das Schiff irgendwann in der Dunkelheit verspätet an. Beim Reinfahren wird jeder LKW und Trailer genauestens untersucht - und siehe da zwei Illegale finden die italienischen Polizisten, die extra mit an Bord waren, in den Containern. Einer kann abhauen, der andere wird von den Marocs verhaftet. Armes Schwein. Abends bekommen einige von uns Bauchweh, bzw. die Scheißerei - nach Essengehen ist uns nicht zumute. Hätten wir doch besser bei Tajine mit Hammelknie bleiben sollen, statt bei diesem Supermarktkram. Gottseidank habe ich für solche medizinischen Notfälle vorgesorgt und wir können etwas konzentriertes Obst zu uns nehmen.
Also die Magenprobleme halten an und wir schmeißen unsere Einkäufe weg. Das waren zwar Thunfischkonserven, Kekse und solcher Kram, aber wir wissen halt nicht, wo die Seuche drin war. Da wir nachts zwischen 24 und 2 Uhr im eiskalten Barce ankommen sollen und dann noch 230 km nach Prades vor uns haben, kippen wir beim Mittagessen ein wenig Rotwein und legen uns dann aufs Ohr. Als wir dann abends frisch ausgeschlafen ins Restaurant marschieren, erfahren wir, dass wir erst am Morgen gegen 6 Uhr ankommen sollen, weil, ja weils halt eben nun doch länger dauert. Macht nix! Essen gehen und wieder ab ins Bett. Die Bars sind ja meistens geschlossen, wahrscheinlich hat die italienische Seemannsgewerkschaft da strikt auf die Ruhezeiten ihrer Mitglieder geachtet, außerdem sind die Herren Kellner zu anderen Zeiten als Bodenputzer, LKW-Verzurrer und Motorradfahrer-Einweiser zu sehen.
Morgens wird man von der glockenhellen Stimme der Bordfee begrüßt - wie immer erst italienisch, dann französisch und englisch. Der übliche Stau auf dem Weg runter zum Autodeck, Mopeds beladen,
rausdrängeln - die Formalitäten sind für uns Nichtaraber schnell erledigt. Irgendwo in der Nähe der französischen Grenze ein Päuschen in einer Raststätte, die Manfred von seinen Reisen kennt und
weiter nach Prades. Die ganzen letzten 100 Kilometer brennt meine Spritkontrolle, aber es reicht dann doch, da darf man sich einfach nicht nervös machen lassen. Dann werden die Mopeds auf den
Hänger gepackt und los gehts. Mittagspause bei Mäckes irgendwo bei Perpignan. Ab Sete fahre ich bis Bourg en Bresse, wo wir in der Bresse-Poulet-Raststätte was essen. Seit Perpignan ist das
Thermometer von 15° alle 100 km um 2° gefallen. Das letzte Stück in dichtem Nebel. Danach wechseln sich die anderen Herren wieder ab und ich geruhe auf der Rückbank zu ruhen bis ich in
Lauterbourg rausgelassen werde - bei ein paar Grad Frost.
Noch ein Wort zum Schluss: "Der Araber als solcher ist eine Nervensäge, lügt, betrügt und klaut wie ein Rabe" habe ich immer behauptet. Asche auf mein Haupt - ES STIMMT NICHT (mehr)! Keiner hat
genervt, niemand hat unser Gepäck angefasst, keiner am Ärmel gezogen, nicht einen einzigen Teppich sollten wir kaufen. Wenn wir nach dem Weg gefragt hat, kam eine freundliche Auskunft ohne
Geldforderung. Das kannte ich auch noch ganz anders. Und sauber wars (fast) überall - soviele Straßenkehrer sind bei uns nicht unterwegs.